Der Personalmangel in deutschen Kindertagesstätten steigt einer Umfrage zufolge weiter an. Das führt nach Einschätzung der Kitaleitungen zu hoher Arbeitsbelastung und schlechterer pädagogischer Qualität. Die Angaben stammen aus einer Befragung des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in Kooperation mit der Firma Fleet Education Events. Schätzungsweise 10.000 Kitas haben demnach im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der Zeit mit zu wenig Personal gearbeitet.

Eine sogenannte Personalunterdeckung liegt immer dann vor, wenn weniger Mitarbeitende im Einsatz sind, als es die Vorgaben, etwa zur Aufsichtspflicht, verlangen. Der Befragung zufolge konnten die betroffenen Kitas nur öffnen, indem sie diese Vorgaben verletzten. "Die Kitas konnten den Betrieb im Durchschnitt an mehr als jedem zweiten Tag nur unter Gefährdung der Sicherheit der zu betreuenden Kinder aufrechterhalten", heißt es im Bericht. In den vergangenen drei Jahren haben sich die Zahlen der Einrichtungen, die eine verlässliche Betreuung nicht mehr zeitweise garantieren können, damit verdoppelt.

Die Ergebnisse der Befragung werden jährlich auf dem Kitaleitungskongress (DKLK) in Düsseldorf vorgestellt. Sie gelten als wichtiger Indikator für die Situation in deutschen Kindertagesstätten. An der Umfrage haben in diesem Jahr 5.387 Kitaleitungen teilgenommen – so viele wie nie zuvor.

95 Prozent der Befragten gaben an, dass sich der Personalmangel in den vergangenen zwölf Monaten verschärft habe und es noch schwieriger geworden sei, offene Stellen mit passenden Bewerberinnen und Bewerbern zu besetzen. Das habe vor allem Auswirkungen auf die pädagogische Qualität, so die Befragten. In 87 Prozent der Einrichtungen mussten demnach pädagogische Angebote und Teamsitzungen ausfallen. Mehr als jede zweite Kita musste früher schließen und Gruppen zusammenlegen.

Motivation zur Arbeit sinkt

Weil Erzieherinnen und Erzieher ausfallen und Bezugspersonen ständig wechseln, kommt auch der Austausch zu kurz. Mehr als 80 Prozent der befragten Kitaleitungen gaben an, dass fachliche Themen seltener besprochen werden können. Dazu zählt den Befragten zufolge auch, bestimmtes Verhalten der Kinder zu beobachten und zu dokumentieren. 89 Prozent haben weniger Zeit, pädagogische Angebote vorzubereiten und die eigene Arbeit zu reflektieren.

Durch die stressige Arbeitsbelastung wird die angespannte Lage zusätzlich verschärft, weil Fachkräfte öfter fehlen oder krank sind – nahezu alle Befragten bestätigen dies. Ein Viertel der Kitaleitungen gaben an, dass Mitarbeitende im vergangenen Jahr wegen des Personalmangels gekündigt haben.

Ein dauerhafter Notbetrieb, Überforderung und Zeitmangel führen inzwischen in vielen Einrichtungen zu weniger Arbeitsmotivation. Mehr als vier von fünf Kitaleitungen berichten, dass Mitarbeitende unzufrieden mit der pädagogischen Arbeit sind (83 Prozent) und der Personalmangel ihnen die Freude an der Arbeit nimmt (89 Prozent). Die Zufriedenheit, den Job auszuführen, ist hingegen nur leicht gesunken (sieben Prozent). Noch 80 Prozent der Befragten üben ihre Leitungstätigkeit sehr gerne aus.

Wertgeschätzt fühlen sich die Befragten, die unter den schwierigen Bedingungen arbeiten, vor allem von den Kindern und Eltern – am wenigsten erneut von der Politik. Dabei wird die Wertschätzung durch die Kommunalpolitik (37 Prozent) als stärker empfunden im Vergleich zur Wertschätzung durch Landes- (15 Prozent) oder Bundespolitik (12 Prozent). Besonders die Wertschätzung durch Landes- und Bundespolitik ist signifikant gefallen.

"Eindringlicher Hilferuf"

"Das sind erschreckende Ergebnisse, die deutlich machen, dass die Politik ihrer gesetzlichen Verantwortung nicht gerecht wird. Sie sind ein eindringlicher Hilferuf und die Verpflichtung zum Handeln", sagte Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung.

Als Reaktion auf die Umfrageergebnisse fordert der VBE eine "verlässliche, aufeinander abgestimmte Finanzierungsgemeinschaft aus Bund, Ländern, Kommunen und Trägern". Wenn wegen Personalmangels die Aufsichtspflichten nicht erfüllt werden könnten, müssten sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden. "In den kommenden Jahren wird ein großer Teil der Leitungspositionen in Deutschland neu zu besetzen sein, der Ganztagsanspruch verstärkt den Personalbedarf zusätzlich", sagte Neckov. "Es besteht akuter Handlungsbedarf."